Christian Schultze-Wolters ist Geschäftsbereichsleiter der Blockchain Solutions bei IBM, einem der weltweit größten Unternehmen für Software, Hardware und Dienstleistungen im IT-Bereich. Im Interview mit dem Fair Fashion Blog hat er vier Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit und Technologie beantwortet.
Wo steht deiner Meinung nach die Modeindustrie aktuell beim Thema Nachhaltigkeit?
Zwar gibt es schon eine Vielzahl positiver Beispiele für nachhaltige Mode, dennoch ist der Weg zu einer nachhaltigen Modebranche noch weit. Zum einen müssen Unternehmen sich dazu entscheiden, nachhaltig zu produzieren und dies entlang der gesamten Lieferkette umzusetzen, was oft nicht einfach ist. Heutige Lieferketten sind immer global, komplex und verbinden vom Textilproduzenten, über den Hersteller, die Logistik und den Händler eine Vielzahl von Akteuren. Die verschiedenen Player dieses Ökosystems haben demnach auch unterschiedliche Interessen. Um nachhaltiger zu produzieren, benötigen die beteiligten Unternehmen deshalb zunächst die Motivation und die Rahmenbedingungen, die das ermöglichen. Für die Konsumenten bedeutet dies, dass die Produkte unter Umständen teurer werden, Konsumenten müssen also bereit sein, einen höheren Preis für nachhaltigere Kleidung zu zahlen. Am Ende des Tages kommt es sehr darauf an, dass alle Beteiligten dies umsetzen wollen und konsequent mitziehen. Glücklicherweise gibt es immer mehr potentielle Käufer, die ein großes Interesse daran haben zu wissen, woher ihre Mode kommt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde.
Wie können Technologien und die Digitalisierung der Modeindustrie dabei helfen, nachhaltiger zu werden?
Im Umfeld von Nachhaltigkeit geht es u.a. darum die Transparenz zu schaffen, woher das Produkt kommt, wie und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. Eine Technologie wie die Blockchain kann diese Transparenz schaffen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Daten und Informationen, die auf einer Blockchain basierten Lösung zur Verfügung gestellt werden, sicher und unveränderbar sind. Blockchain ist eine Alternative zur klassischen Datenbank, wenn es nicht nur um Transparenz sondern auch um Vertrauen beim Teilen von geschäftlichen Informationen geht. Hierbei werden alle Daten und Informationen dezentral gespeichert. Dies bedeutet, dass die Daten nicht auf einem Server oder bei nur einem Unternehmen liegen, sondern über viele Systeme verteilt sind – sicher und verschlüsselt. Wenn ich als teilnehmendes Unternehmen die Daten nun also allen Beteiligten der Lieferkette und auch den Verbrauchern zur Verfügung stelle, können sich alle darauf verlassen, dass die Informationen echt und nicht manipuliert sind. Die Blockchain ist vor allem deshalb die richtige Technologie, um Transparenz und gleichzeitig Vertrauen in der Zusammenarbeit von Unternehmen / Personen zu schaffen.
Wie kann die Blockchain den Verbrauchern mehr Transparenz gewährleisten?
Die Blockchain-Technologie ist auch dazu geeignet, Verbraucher, also die Käufer der verschiedenen Produkte, darüber zu informieren, welche Wege das Kleidungsstück zurückgelegt hat und wie es durch wen verarbeitet wurde. Wir kennen solche Beispiele bereits aus der Lebensmittelindustrie. Kunden scannen einen QR-Code und erfahren dann genau, wann und wo beispielsweise Obst geerntet und verpackt und wie es behandelt wurde oder auch wie lange die Früchte auf dem Transport unter welchen klimatischen Bedingungen unterwegs waren. Wir, als Verbraucher, können dann ganz bewusst entscheiden, welche Arbeits- und Produktionsbedingungen wir unterstützen möchten und welche Unternehmen wir aufgrund schlechter Bedingungen ggf. boykottieren würden.
Ist Nachhaltigkeit ein Thema, dass dich über Mode hinaus beschäftigt?
Absolut. Und nicht nur mich, sondern immer mehr Menschen durch alle Altersgruppen hindurch, aber vor allem die jüngeren Generationen interessiert es zunehmend mehr, wie nachhaltig Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Lebens hergestellt und verarbeitet worden sind. Dabei geht es auch um Verschwendung und den effizienten Einsatz von Energie und Wasser, vor allem im Bereich der Lebensmittelproduktion. Zum Thema Nachhaltigkeit gehören aber auch, wie gesagt, faire Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel dafür sind oftmals sehr schlechte Arbeitsbedingungen und auch Kinderarbeit beim Abbau von Rohstoffen, so z.B. bei Kobalt, das für Lithiumionen-Batterien verwendet wird. Diese Themen interessieren mich, beruflich aber auch privat. Und es werden immer mehr, denen es auch so geht.
Bildquelle: © IBM